Grober Unfug
Ausflüge ins düstere Reich des Oberlehrerhaften waren eigentlich nie Absicht dieses Internet-Auftritts. Aber ich muss an dieser Stelle einfach meinen kleinen Beitrag dazu leisten, mit einem sich mittlerweile selbst in gestandenen Fotozeitschriften argumentativ fest etablierten Unfug aufzuräumen, den ich partout nicht mehr sehen/lesen/hören kann! Augenscheinlich kann man kann es nicht oft genug verbreiten.
"Brennweitenverlängerung" oder auch "Crop-Faktor". Warum aus 200 mm keine 320 mm werden!
Das Objektiv unserer Kamera liefert uns ein kreisrundes Bild... den so genannten Bildkreis. Der rechteckige Ausschnitt aus diesem "Bildkreis", den wir im Sucher unserer Kamera sehen, hängt vom Aufnahmeformat ab.
Das Aufnahmeformat
Eine so genannte "Vollformat-Kamera" mit der Sensorgröße 36 mm x 24 mm (Seitenverhältnis 3:2) erzeugt einen rechteckigen Ausschnitt, dessen Diagonale in etwa dem Durchmesser des Bildkreises entspricht.
In den meisten sich heute auf dem Markt befindlichen digitalen Kameras kommen allerdings Sensoren zum Einsatz, die kleiner sind als Vollformat-Sensoren, z.B. Sensoren in so genannter APS-C-Größe (Sensorgröße ca. 22,5 mm x 15 mm, Seitenverhältnis wieder 3:2).
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In Bezug auf die dadurch veränderte Bildauswirkung spricht man gerne und oft von "Brennweitenverlängerung... ein völlig irreführender und grundsätzlich falscher Begriff, da die Brennweite des Objektivs durch den Einsatz an einem kleineren Sensor nämlich keineswegs verlängert wird. Ein kleinerer Sensor deckt einfach nur eine kleinere Fläche des Bildkreises ab; er erstellt einen entsprechend kleineren Ausschnitt. Der Rest drum herum geht verloren! Die reale Abbildungsgröße des Motivs bleibt immer gleich - unabhängig vom Sensor!
Der Vollformatsensor einer Canon EOS 5D MkII, zum Beispiel, hat eine ca. 1,6 Mal längere Seitenlänge als der APS-C-Sensor einer Canon EOS 7D oder EOS 60D. Fälschlicherweise wird dieser Sachverhalt dann immer als eine 1,6-fache Brennweitenverlängerung bezeichnet, nur weil beim Blick durch den Sucher oder auf das Display der subjektive Eindruck entsteht, man würde ein Objektiv mit einer größeren Brennweite einsetzen.
Der Eindruck einer Vergrößerung entsteht dadurch, dass die Kamera den kleineren Ausschnitt auf einem identischen Format (z. B. dem 3 Zoll-Display) abbildet, auf der eine Vollformat-Kamera ihr deutlich größeres Bild abbilden würde. Dabei vergrößert sich die auf dem Display wiedergegebene Abbildung bei APS-C-Kameras einfach um den Faktor 1,6.
Man geht oft sogar so weit und multipliziert sich beim Einsatz einer Kamera mit APS-C-Sensor aus einem 50 mm Normalobjektiv ein "leichtes Tele" von 80 mm oder aus einem 200 mm-Objektiv eine neue Brennweite von 320 mm. Das ist grober Unfug! Der APS-C-Sensor holt das Motiv nicht 1,6 Mal näher heran — es fehlen ihm einfach nur Bildinformationen, weil diese ringsherum abgeschnitten werden.
Eine weitaus treffendere Bezeichnung als Brennweitenverlängerung wäre demzufolge Beschnittfaktor — und nichts anderes heißt letztendlich die englische Originalbezeichnung crop factor.
Was also tun?
Möchte ich mit einer Kamera mit APS-C-Sensor nun denselben Bildausschnitt ablichten wie mit einer Vollformat-Spiegelreflexkamera, muss ich das Bild zwangsläufig verkleinern. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten:
- Ich bleibe stehen, wo ich stehe. Dann brauche ich einen 1,6 Mal größeren Bildwinkel, also eine 1,6 Mal kürzere Brennweite (30 mm anstatt 50 mm, zum Beispiel). Nun ist mein Bildausschnitt derselbe wie beim Vollformat. Das Bild ist allerdings kleiner und daher die Schärfentiefe größer. Die Perspektive ändert sich trotz der kürzeren Brennweite nicht, sie hängt allein vom Standpunkt ab!
- Ich lasse das Objektiv drauf, das ich habe und entferne mich statt dessen 1,6 Mal weiter vom Motiv. Jetzt habe ich wiederum den gleichen Bildausschnitt mit der größeren Schärfentiefe, allerdings zusätzlich eine andere Perspektive.